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Kinderhände führen Bauern in die Schlacht (06.Februar'99)

Beim 13. Ostfriesischen Schulschachturnier in der Nordseehalle Emden spielten 400 Schüler um den Turniersieg

Grübelnde Kinder: Dennis Dufner von der Grundschule Upstalsboom spielt gegen Anneke Albers von der Finkenburgschule.
Foto: Saathoff

Von Wolf-Rüdiger Saathoff
Emden. Bereits am frühen Morgen strömen unzählige Kinder und Jugendliche in die Emder Nordseehalle. Fast 400 Schüler von 28 Schulen verzichten an diesem Tage auf Deutschunterricht oder Prozentrechnung und nehmen am 13. Ostfriesischen Schulschachturnier teil. Vor ihnen liegen mehr als 1500 Partien, die alle auf ein Ziel ausgerichtet sind: den Gegner matt setzen.

Auch der zehnjährige Lukas Biedermann von der Grundschule Upstalsboom sitzt mit seinem vierköpfigen Team bereits um kurz nach neun vor dem Schachbrett. Lukas ist ein "alter Hase". "Mit fünf habe ich mit dem Schachspielen angefangen. Ich war schon einige Male hier, aber wir haben noch nie gewonnen. Vielleicht klappt es ja dieses Mal", hofft der dunkelhaarige Grundschüler auf den Turniersieg.

Der erste von sieben Durchgängen beginnt. Kinderhände führen die Bauern in die Schlacht, jagen mit der Dame über das Brett und lassen den Springer in die gegnerische Stellung hüpfen. Fernab jeder Theorie entstehen kuriose Positionen, die bisher in keinem Lehrbuch behandelt wurden. Während die älteren Jahrgänge bereits wohlüberlegt zur Sache gehen, wirbeln die kleinen Kids ungestüm mit ihren Figuren über das 64feldrige Tableau. Viele Kinder versuchen mit dem dreizügigen Schäferzug das Spiel zu gewinnen. Ein uralter Trick, der häufig zum Erfolg führt.

Mit Begeisterung lassen die Kurzen gerne ein Matt aus und räumen in Räuberschachmanier erst einmal das Figurenensemble des Gegners vom Brett. Während der Spielpausen toben die Kinder in der Halle herum oder "dopen" sich mit Cola und Schokoriegel für das nächste Match.

Die Grundschule Upstalsboom I eilt an diesem Tag von Sieg zu Sieg. Die Arbeit der Schach-AG trägt ihre Früchte. Betreuer Johann Jakobs übt mit den Kindern einmal wöchentlich. Solides Eröffnungsspiel, grundlegende Endspieltheorie und kleine Finessen stehen auf dem Stundenplan.

In diesem Meer von grübelnden Schülern und tickenden Uhren liegen Freude und Leid dicht beieinander. Lukas sitzt ruhig am Tisch, taktiert und wartet auf den richtigen Augenblick. Sein Gegner in der letzte Runde erspielt sich schnell einen materiellen Vorteil heraus, vernachlässigt aber den Schutz des eigenen Königs. Eine Schwäche, die Lukas eiskalt ausnutzt. Er treibt den gegnerischen König mit mehreren Schachgeboten auf das letzte ihm noch verbleibende Feld.

Ein letztes Mal ertönt "Schach und matt". Lukas springt jubelnd vom Stuhl, reißt die Arme in die Höhe und wird von seinem Freund Sven umarmt, während sein Gegenüber verdutzt und zweifelnd auf die soeben verlorene Partie blickt. Nach mehr als sechs Stunden Wettkampf stehen die Sieger und Plazierungen fest. Turnierleiter Bernd Döring ruft als erstes den Gewinner der Wettkampfgruppe G, die Grundschule Upstalsboom aus. Lukas Biedermann, Tom Chausonet, Dennis Dufner und Isabell Lerbs bahnen sich den Weg durch die Menge nach vorne und empfangen freudestrahlend ihre Siegerurkunde. Lukas fährt glücklich nach Hause und träumt davon, auch beim Weser-Ems-Finale in Rastede am 9. März möglichst viele Kontrahenten zu überlisten.

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