"Eine ganz herbe Wahlniederlage"
Klare Worte von SPD-Chef Haase bei der JAG-Wahlparty.
von PETER INTELMANN

Kurz vor 18 Uhr lag die FDP am Boden. Jedenfalls als Partei-Fähnchen mit einem kleinen, blonden Jungen hinten dran, der sich im Foyer des Johannes-Althusius-Gymnasiums (JAG) über die Fliesen wälzte. Kurz nach 18 Uhr und ansonsten aber war die FDP obenauf: Die JAG-Prognose sah die Liberalen bei zehn Prozent, vier Prozent mehr als vor fünf Jahren, und je mehr Ergebnisse aus den Wahllokalen in die JAG-Rechner wanderten und in Gestalt von Grafiken an der Wand auftauchten, desto stärker gewann der liberale Aufschwung an Fahrt.
Die SPD hatte die JAG-Forschungsgruppe Wahlen in ihrer Prognose bei 49 Prozent gesehen, die CDU bei 29, die Grünen bei zehn und die PDS bei zwei Prozent. Wenn sich das bestätigt und die PDS ihre Stimmen in Sitze hätte ummendeln können, wäre sie das Zünglein an der Waage gewesen - eine völlig neue politische Situation, zumal für Emden, zumal für die SPD.
Aber die hatte den Traum von der Rettung ihrer absoluten Mehrheit inzwischen eh begraben. "Eine ganz herbe Wahlniederlage", redete der Emder SPD-Chef und Landtagsabgeordnete Hans-Dieter Haase nicht lange herum. "Wir werden uns Gedanken machen müssen, ganz klar." Die Gründe? Die Partei habe es nicht geschafft, ihre Wähler an die Urne zu bringen, man habe an FDP und PDS verloren, und dann schlage eine extrem niedrige Wahlbeteiligung wie jetzt wieder den Genossen traditionell schwer auf den Magen.

"Am Wetter lag's nicht"
"Natürlich gibt es Unzufriedenheit, sonst kommen solche Ergebnisse nicht zustande. Am Wetter hat es jedenfalls nicht gelegen", machte Haase aus seinem Herzen keine Mördergrube. Am Ende hoffte er auf ein Ergebnis um die 45 Prozent und 20 Sitze für seine Partei, sprach von einer Niederlage, an der die SPD in den nächsten fünf Jahren zu arbeiten haben werde - und sagte einen Satz, der in Emden seit 45 Jahren nicht zu hören gewesen war: Natürlich werde die SPD mit den anderen Parteien reden, aber wenn die sich einig sein sollten, werde man auch in die Opposition gehen.
Es war eine klassische Wahlparty im JAG mit Hochrechnungen, Interviews, nervösen Blicken auf Info-Charts und Torten-Grafiken, mit "Aah" und "Ooh" und "Gibt's doch nicht", mit Mikro-Rückkopplungen und roten Overalls, auf denen "Politik Fachgruppe - JAG Emden" stand. In der Elefantenrunde mit Haase, Reinhard Hegewald (CDU), Roland Riese (FDP), Hermann Züchner (Grüne) und Dieter Raveling (PDS) wurden Klassiker wie die Busspur und das Müllsystem noch einmal durchgekaut, Raveling konnte sich das PDS-Ergebnis in Früchteburg auch nicht erklären und plädierte für kostenloses Busfahren für Sozialhilfeempfänger, Hegewald wollte es attraktiver machen, zu arbeiten statt Sozialhilfe zu beziehen, Riese wähnte der Jugend in der FDP eine Gasse bereitet und in seinem 18-jährigen Parteifreund Holger Klaassen den jüngsten Ratsherrn, Züchner sah das gute Ergebnis der Grünen vor fünf Jahren unter besonderen Umständen zustande gekommen, und ein Mädchen trug Che Guevara auf dem Pullover spazieren, aber der stand ja gestern nicht zur Wahl.

Dicke und dünne Luft
Draußen wurde langsam das Wetter schlechter, drinnen im vollen Foyer und auf den Fluren wurde die Luft dicker, für manchen wurde sie auch dünner, am Treppengeländer baumelten schon CDU- und FDP-Luftballons in inniger Koalition, und als die Talk-Runde zu Ende war griff die JAG-Bigband zu den Instrumenten, Anna Penzek sang "I feel good", und da konnte man fast glauben, dass Roland Riese einen Musikwunsch frei gehabt hatte.