Freitag, 16. Mai 2003

 

Physik- und Chemieschüler vom Praxisunterricht bei VW begeistert
Nach sechstem Besuch im Autowerk ist Schluss - jetzt geht es an die Facharbeiten.
von STEPHANIE SCHUURMAN
 

 

    31 Schülerinnen und Schüler des Johannes-Althusius-Gymnasiums (JAG) hatten an sechs Vormittagen in den letzten drei Monaten die Gelegenheit, parallel zum Unterricht im Emder Volkswagenwerk zu lernen und zu forschen. Wissenschaftlich begleitet werden die Teilnehmer des vom Niedersächsischen Kultusministerium initiierten Projekts von der Fachhochschule. Nach dieser praktischen Phase müssen sie nun Facharbeiten schreiben.
"Technik hat mich schon immer interessiert", sagte gestern Nils Tammen (18), der mit drei weiteren Physik-Leistungskursschülern ins VW-Werkstofflabor hineingeschnuppert hat. Nils untersuchte gemeinsam mit Arne Eilers verschiedene Karosserieteile auf ihre Farbgleichheit. In Tabellen sind die Werte genau festgelegt, wie das Licht bei der Spektralanalyse unter verschiedenen Winkeln auszusehen hat. "Einmal hat die Farbe eines Kotflügels nicht gestimmt", hat Nils festgestellt. Unter dem Röntgenfluoreszenz-Gerät nahmen Matthias Weber und Hendrik Jansen Schichtdicken-Messungen von Schrauben und anderen Metallteilen vor. Dabei werden Materialien wie Zink oder Nickel bestimmt, genau wie deren Schichtstärke. Für Hendrik steht bereits fest, dass er ein Technikstudium aufnehmen und später bei VW arbeiten wird: "Aber das wollte ich auch schon vorher." Auch für die anderen drei wäre ein Job bei VW durchaus denkbar.

Klausur-Ersatz
Nach den praktischen Einblicken, immer begleitet vom Unterricht in der Schule, muss nun eine umfangreichere Facharbeit geschrieben werden, um die Untersuchungen in den verschieden Laboren von VW zu dokumentieren. Diese Arbeit ersetzt die sonst üblichen Semesterklausuren des 12. Jahrgangs in Chemie oder Physik. Hendrik: "Ich habe schon Fachliteratur aus der FH besorgt." Die Emder Fachhochschule begleitet die Schüler wissenschaftlich, genau wie auch die Mitarbeiter von VW den Schülern mit Arbeitsmaterial und Tipps zur Seite stehen.
Die Qualität von Bremsflüssigkeit oder Kunststoffen in Form von Granulaten haben vier Schülerinnen und ein Schüler aus dem Chemie-Leistungskurs geprüft. In dieser Abteilung des Werkstofflabors wird die Zusammensetzung von Werkstoffen chemisch bestimmt. "Sehr bald haben die Schüler selbstständig gearbeitet", lobte Werkstoffsachbearbeiter Reinhard Bulicke. Alle fünf bestätigten, dass die Arbeit im Labor viel spannender als trockener Unterricht war. "Das Ganze interessiert mich total, aber das Chemiestudium ist mir für einen Beruf viel zu heftig", sagte Heyka Jakobs. Trotzdem will auch sie ein naturwissenschaftliches Studium wählen, aber dann doch lieber Biologie.

"Ein guter Einblick"
Welche sind die optimalen Schweißpunkte zur Verbindung zweier Bleche? Das erforschten vier Physikschüler im Ultraschalllabor. "Zuerst werden die aus einer Formel berechneten Parameter in den Schweißroboter eingegeben", erklärte Christian Remmers. "Der Computer gibt dann nach dem Schweißen die Meldung, ob die Punkte in Ordnung sind oder nicht." Bei ihrem ersten Besuch im VW-Werk konnten sich die vier im Schweißen probieren. "Aber das Bestimmen der Parameter war am Anfang schwerer", sagte Onno Miermeister. Alle fanden es "richtig spannend", einmal hinter die Kulissen zu schauen. Jede Menge Neues sei dabei gewesen. "Ein guter Einblick in ein Berufsfeld", waren sich alle einig. Alexander Scholz würde gern noch einmal wiederkommen, doch auf Dauer im Ultraschalllabor zu arbeiten, konnte sich keiner vorstellen. "Ich möchte noch mehr Bereiche kennen lernen", begründete Christian seinen Entschluss, sich noch nicht auf ein bestimmtes Arbeitsfeld festzulegen. Alle waren von der Hilfsbereitschaft der Mitarbeiter begeistert. "Die haben auch nicht ständig Fachlatein geredet", sagte Christian.
"Vielleicht ist es schon ein Erfolg des Projekts, dass wir für den kommenden Leistungskurs Physik mehr Anmeldungen haben", zog Bernd Ritter, Physiklehrer am JAG, ein erstes Resümee. Werbung für den praxisnahen Unterricht erfolgt auch, wenn die Schüler ihre Facharbeit am 1. Juli im Neuen Theater den jüngeren Schulklassen vorstellen. Im Foyer wird ein Marktplatz mit Ständen errichtet, die Präsentation findet im Theatersaal statt. Die Projektarbeit wird für die nächsten 12. Jahrgänge in Zusammenarbeit mit VW und der Fachhochschule wiederholt. "Die Rahmenbedingungen stehen zur Verfügung", bestätigte Dieter van Hoorn, Projektleiter bei VW.