Dienstag, 22. Juni 2004

"Hungrig machen für den naturwissenschaftlichen Zweig"
Emder Johannes-Althusius-Gymnasium schloss gestern zweite Runde des "Formel-X-Projektes ab. Die dritte Runde ist in Frage gestellt.
Von EZ-Redaktionsmitglied STEPHANIE SCHUURMAN
    Mathe, Physik, Chemie - das sind nicht gerade die beliebtesten Fächer an der Schule. Und bei der Berufswahl schenken Jugendliche dem naturwissenschaftlichen Bereich eher geringe Beachtung. Sehr zum Verdruss der Wirtschaft, die ständig auf der Suche nach gut ausgebildeten Ingenieuren ist. Um diesem Missstand entgegen zu wirken, hatte die alte SPD-Landesregierung das so genannte "Formel-X-Projekt" auf den Weg gebracht: eine Kooperation zwischen Schule und Unternehmen zur "Förderung des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts". In Emden hatte sich das Johannes-Althusius-Gymnasium (JAG) beworben (wir berichteten). Gestern wurde die zweite Runde des Projektes im Rahmen einer Präsentation im Neuen Theater abgeschlossen. Ob es eine dritte Runde geben wird, wie vorgesehen war, ist noch fraglich.

Noch erfolgreicher

"Das Formel-X-Projekt 2004 war noch erfolgreicher als im ersten Jahr", betonte JAG-Schulleiter Hans-Werner Ohm
vor zahlreichen Schülern, Lehrern, Vertretern des Emder Volkswagen-Werkes und der Fachhochschule. 38 Zwölftklässler der Leistungskurse Chemie und Physik hatten bei VW und in der Fachhochschule geforscht. An sechs Vormittagen waren sie in die Labore gegangen und haben an Einzelprojekten gearbeitet. Dabei ging es unter anderem um Lacke, Maschinen, Messungen und Mischungen. Wie in der Arbeitswelt auch. Im Vorjahr waren es acht Schüler weniger, die sich für die Leistungskurse entschieden hatten.
Und noch eines ist bemerkenswert: Während 2003 in den Fächern Physik und Chemie nur vier Mädchen vertreten waren, sind es nun 18. "Das Projekt ist ein Motivationsschub für die Fächer", betonte Ohm. Schließlich würde so der Unterricht aus der Schule herausgeholt. "Die Frage ,Wozu braucht man das eigentlich?" erledigt sich da von selbst." Aus der ersten Runde resultierte sogar ein dritter Platz beim Landeswettbewerb "Jugend forscht". Markus Jungbauer
und Axel Petzoldt hatten sich mit der kathodischen Tauchlackierung beschäftigt und den Preis errungen. Beide wollen später Chemie studieren.
Mittel gestrichen

Dennoch gibt es einen Wehrmutstropfen: Vor drei Tagen erhielt die Schule die Mitteilung der Bezirksregierung Weser-Ems, dass das Projekt nicht weiter unterstützt wird. Die neue Landesregierung habe die Mittel gestrichen. "Wir basteln an einer Lösung und sind zuversichtlich, auch die dritte Runde absolvieren zu können", sagte Ohm. Die beiden Leistungskurs-Lehrer hatten bislang je drei Unterrichtsstunden zusätzlich in der Woche zur Verfügung. Eine Alternative wäre, den Mehraufwand über eine Arbeitsgruppe aufzufangen, die an anderer Stelle an der Schule eingespart werden müsste, erklärte Ohm.
Unterstützung sagte auch der Personalchef des Emder VW-Werks, Dr Reinhard Pentzek, zu: "Wir wollen das Projekt fortsetzen und sollten schnell eine Alternativ-Lösung in Angriff nehmen." Es sei VW "sehr daran gelegen", dass junge Menschen früh mit der Praxis in Berührung kommen. So könne man "hungrig machen" für den naturwissenschaftlich Zweig, betonte auch VW-Fertigungsleiter Dieter van Hoorn. Pentzek: "Wir sind als Exportland auf Ingenieurswissen angewiesen und können uns nicht auf den Dienstleistungssektor verlassen." Wer sich für einen technischen Beruf entscheide, könne gar nichts falsch machen. "Die dritte Runde sind wir den jungen Menschen und dem Standort schuldig."
Die Synthese von Nylon: das war das Thema der Leistungskurs-Arbeit von Frauke Diskus und Dirk Renken. Sechs Vormittage forschten sie im VW-Labor.
Werben für die Technik: VW-Fertigungsleiter Dieter van Hoorn und VW-Personalchef Dr. Reinhard Pentzek wollen mehr Jugendliche für die Naturwissenschaft interessieren.