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Klicken und Spicken Das Internet macht Abschreiben leicht. Aber die Lehrer haben aufgehört, über die Datenbanken mit Hausaufgaben zu schimpfen. Sie geben jetzt Nachhilfe online  
Von Katharina Slodczyk und Olaf Storbeck

Damit eines von Anfang an klar ist: Sein kompletter Name darf auf keinen Fall in der Zeitung stehen. Matthias will nicht mal verraten, wie seine Schule heißt - schließlich könnten ihm sonst die Lehrer auf die Spur kommen. Und das würde Ärger geben. Denn Matthias' Referate entstehen auf äußerst ökonomische Weise: Er kopiert sie sich aus dem Internet. Dort gibt es Sammlungen mit Tausenden von Hausaufgaben und Referaten - Arbeiten von Schülern, die sie im Web der Nachwelt zur Verfügung stellen. "Man findet zwar nie ganz genau das, was man braucht", erzählt der 17-Jährige aus Ostfriesland, aber aus zwei oder drei Vorlagen könne er meist etwas Passendes basteln.

Das deutschsprachige World Wide Web (WWW) hat sich in ein Dorado für Schüler verwandelt - und das nicht nur für die Faulen, die sich auf den Schummelseiten umtun. Das Internet bietet für Schüler auch Lernprogramme, Adressen von Nachhilfelehrern, Nachhilfe per E-Mail und mittlerweile sogar einen Online-Hausaufgabencheck. Die meisten Angebote stammen von Schülern und Studenten und sind gratis. Zunehmend drängen aber auch Schulbuchverlage und kommerzielle Nachhilfeanbieter ins Netz.

Angefangen hat alles vor drei Jahren, als die ersten Hausaufgabendatenbanken entstanden. Heute gibt es mehr als ein Dutzend, die um die Gunst der Online-Schummler buhlen. Die größten Wissensspeicher im Netz sind www.young.de und www.referate.heim.at, in beiden lagern jeweils rund 4500 verschiedene Texte - von der Approximation von Funktionen mithilfe der Taylorpolynomen über die Höchsten Tugenden der Frauen im antiken Rom bis hin zur Zahl Pi auf 50 000 Stellen genau. Der Bedarf scheint enorm zu sein: Allein bei www.young.de schauen nach Angaben des Betreibers Bastian Wilhelms im Monat rund 200 000 Besucher vorbei, 1,3 Millionen Hausaufgabenseiten werden im gleichen Zeitraum abgerufen. Und das Angebot verfeinert sich weiter.

Neben Seiten, die Material für alle Fächer bereithalten, entstehen Spezialangebote, zum Beispiel für Chemie und Biologie. Metasuchmaschinen wie www.kosh.de oder www.schuelerweb.de machen es möglich, in mehreren Hausaufgabensammlungen gleichzeitig zu kramen. Zu den Standardthemen aus Fächern wie Deutsch, Englisch und Latein gibt es in den größeren Datenbanken gleich mehrere Treffer. So findet man allein bei www.referate.heim.at 14 verschiedene Arbeiten zu Goethes Faust und zehn zu Max Frischs Homo Faber .

"Bei spezielleren Sachen ist die Suche jedoch meistens ziemlich aussichtslos", hat Philipp Nyssen festgestellt, "man findet nichts." Selbst eine Inhaltsangabe von Mark Twains Huckleberry Finn suchte der 17-jährige Gymnasiast aus Stade vor kurzem vergeblich im Netz. "Ich bin nicht drum rumgekommen, das Buch selbst zu lesen."

Vielleicht war das aber auch besser so. Denn die Arbeiten im Internet kommen nicht unbedingt von den Klassenbesten, und die Qualität überprüft niemand. Der Erlanger Philologe Ulrich Schmitzer, Privatdozent an der dortigen Universität, hat mehrere Angebote für das Fach Latein unter die Lupe genommen und stieß dabei auf "geradezu abenteuerliche Fehlinformationen, Fehlübersetzungen und kaum verdautes Halbwissen". Sein Fazit: "Viele der angeblichen Selbsthilfeeinrichtungen sind eine Gefahr für die Schüler." Er warnt deshalb davor, die Angebote allzu vertrauensvoll zu nutzen. Keinesfalls sollten Schüler Referate oder Hausarbeiten eins zu eins übernehmen. Andererseits will der Philologe die Seiten aber nicht in Bausch und Bogen verdammen: "Sie sind gut, um sich ein Bild zu machen, wie andere an das Thema herangegangen sind."

Bei den Lehrern ist nach der ersten Aufregung über die Schummelecken Gelassenheit eingekehrt. Vor einem Jahr schrieben sie noch böse Briefe an die Betreiber von Hausaufgabenseiten. "Heute melden sie sich und sagen, welche Arbeiten wir aus dem Netz nehmen sollen, weil sie Mist sind", erzählt Bastian Wilhelms von www.young.de. "Abgeschrieben wurde schon immer", sagt der Gütersloher Deutsch- und Geschichtslehrer Michael Kerber, "jetzt ist nur eine neue Quelle hinzugekommen."

Wer Fragen hat, zahlt fünf Mark für die Antwort

Das Internet ist inzwischen weit mehr als ein gigantischer Spickzettel: Verzweifelte Schüler haben per E-Mail einen direkten Draht zu klugen Köpfen. Ehrenamtliche Nachhilfe von Abiturienten gibt es für Mathematik (www.zahlreich.de), für Biologie (www.biologie4u.de) und Englisch (www.english4u.de).

"Die Hemmschwelle, eine vermeintlich dumme Frage zu stellen, ist im Internet viel geringer", sagt der 34-jährige Marco Gauer, Organisator dieser drei Nachhilfeangebote, die täglich 1500 bis 4000 Ratsuchende nutzen. Er sieht aber auch Grenzen: "Für Schüler mit gravierenden Schwächen ist das natürlich kein Ersatz für traditionelle Nachhilfe."

Gauers Online-Nachhilfe kostet keinen Pfennig. Für den Diplommathematiker, der sein Geld in der Computerbranche verdient, sind die Seiten "nicht mehr als ein Hobby". Andere Nachhilfelehrer versuchen, mit dem Internet Geld zu verdienen. Bei der Pädagogin Judith Siegfried (home.tonline.de/ home/judith.siegfried) kostet jede Anfrage zu den Fächern Deutsch und Englisch fünf Mark. Und der Telemedia-Mathematik- und Physik-Aufgabenservice verlangt pro Bearbeitungsminute 44 Pfennig (www.mathematik-nachhilfe.de).

Pionier unter den kommerziellen Nachhilfeanbietern ist der Schulbuchverlag Cornelsen: Seit rund zwei Jahren bietet er Online-Nachhilfe an, Mitte Oktober 1999 eröffnete der Verlag mit der Website www. learnetix.de eine eigene "Lern-Community für Schüler im Internet". Ausgebildete Lehrer helfen dort unter den Pseudonymen Dr. Mathe, Dora Deutsch und Super James bei Problemen in Mathematik, Deutsch und Englisch weiter und korrigieren sogar Hausaufgaben. Wenn man bis 17 Uhr seine E-Mail abschickt, bekommt man die Antwort noch am gleichen Tag. Auch dieser Service hat seinen Preis: Eine einzelne Antwort kostet fünf Mark. Wer die Nachhilfe öfter nutzen will, kann sie ein halbes Jahr für 58 Mark abonnieren.

Und es sind keineswegs nur Schüler, die an binomischen Formeln und Kurvendiskussionen verzweifeln und deshalb dankbar sind für Angebote wie jenes des Cornelsen-Verlags. Auch Erwachsene, die ihren Kindern etwas erklären oder selbst ihr Abitur machen wollen, holen sich mitunter Rat, erzählt Cornelsen-Tutor Wolfgang Tews. Er hat beobachtet, dass die meisten Schüler nur in Ausnahmefällen mailen, "wenn es wirklich brennt". Einige können aber gar nicht genug kriegen. So wie Kathrin: Im "Gästebuch" auf der Cornelsen-Website wünscht sie sich noch jede Menge zusätzlicher Hilfen. Ganz oben auf ihrem Wunschzettel: "Latein, Chemie und Physik."

Lesen Sie mehr zum Thema "Computer und Schule" im nächsten ZEIT Punkte-Heft, das am 10. Februar erscheint.


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DIE ZEIT vom 16.4.98: Endlich im Internet: Fertige Hausaufgaben zum Herunterladen. Die Schüler jubeln

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