Am 09.02.2016 besuchten Annika Zaayenga und Kathrin Glebke, zwei Schülerinnen des Johannes-Althusius-Gymnasiums, Frau Prof. Dr. Antje Boetius am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen.
Sie ist eine leidenschaftliche Tiefseeforscherin und Mikrobiologin. Frau Prof. Dr. Boetius lehrt an der Universität in Bremen und ist am eben schon erwähnten Max-Planck-Institut und am Alfred-Wegener-Institut tätig. Sie hat bereits an 46 Expeditionen auf internationalen Forschungsschiffen teilgenommen, von denen Sie am Freitag, dem 04. März, um 19:30 Uhr in der Johannes a Lasco Bibliothek berichten wird. Dort referiert die mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftlerin über "Die Entdeckung der Tiefsee: Bilder fremder Unterwasserwelten". Die JAG-Schülerinnen haben Frau Prof. Dr. Boetius am Dienstag genau zu ihrer Forschung, deren Erfolge und ihrer Motivation interviewt.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Tiefseeforscherin zu werden und was begeistert Sie daran?
Ich hab früher als kleines Kind viele Piratenbücher gelesen mit Bildern von Seemonstern und einzigartigen Tiefseefischen, insbesondere diese Tiere fand ich aufregend und interessant. Außerdem begeistert mich an dem Beruf, etwas Unbekanntes zu entdecken und die weißen Flecken der Karte zu bemalen. Am spannendsten sind die Expeditionen, weil ich finde, dass man dadurch nicht so schnell einstaubt.
Wie sieht ihr Tagesablauf als Meeresbiologin aus?
Man hat viele Freiheiten, aber trotzdem muss ich oft Vorträge halten, hier und im Ausland, Dinge erklären, mich mit der Politik beschäftigen und reisen. Es ist also immer sehr vielfältig und nie konstant. Auf dem Schiff arbeiten dann alle zusammen an einer Fragestellung. Ich würde sagen, dass es fasst wie eine Klassenfahrt ist, nur das man am Ende Forschungsergebnisse mit nach Hause bringt. Ich finde es macht schon süchtig, immer wieder was Neues zu entdecken.
Was war ihre spannendste und aufregendste Expedition?
Da waren wir im Pazifik, wo Menschen vor 26 Jahren 1km² Boden umgepflügt haben und Manganknollen und Metalle entfernt haben. Unsere Fragestellung war, ob der Boden sich wieder regeneriert hat und ob die Fische wieder zurück gekommen waren. Als wir unsere neuen Roboter auf den Tiefseeboden geschickt hatten, haben wir festgestellt, dass noch immer alles kaputt war und auch keine Lebewesen wieder zurück gekommen waren.
Wie sieht so ein Tauchgang mit einem U-Boot aus und haben sie da vielleicht auch mal Angst, dass etwas passiert?
Ein Tauchgang ist genau durchgeplant, da es sehr viel Geld kostet. Meistens ist es so, dass wir zwei Stunden runtertauchen, dann unten vier Stunden Proben nehmen und versuchen, einige Sachen zu erforschen, und am Ende wieder zwei Stunden nach oben brauchen. Zum Schluss wird dann den Leuten auf dem Schiff über alle Ergebnisse berichtet und es wird darüber diskutiert. Am meisten Angst hatte ich davor, dass ich den gesamten Tauchgang nicht zur Toilette gehen konnte. Allerdings war ich so aufgeregt, dass ich das total vergessen habe. Aber generell hab ich keine Angst und es sind bisher auch keine Forschungs-U-Boote verunglückt.
Was sind ihre größten und bedeutendsten Forschungsergebnisse?
Zum einen sind es Bakterien, die Methan „fressen“, welches sonst unsere Umwelt schädigen würde. Zum anderen haben wir entdeckt, dass durch unseren Klimawandel einige Eisschollen schmelzen, in denen Algen und Krebse enthalten sind. Diese Dinge sterben dann ab und fallen runter bis auf den Boden der Tiefsee, wo bisher nur die Seegurke und eine Art Seestern es fressen und sich dadurch radikal vermehren können.
Wie viel wissen wir heutzutage eigentlich über die Tiefsee?
Ca. 0,001 Prozent haben wir bisher von der Tiefsee gesehen. Im Meer gibt es noch immer riesige Bereiche mit Gebirgen und Löchern, die noch keiner gemessen hat. Insgesamt gibt es dazu 1-10 Millionen Tierarten und 1 Milliarden Bakterienarten, die noch unbekannt sind. Zum Beispiel wurde im Rahmen der letzten Expedition ein großer, schleimiger Wurm gefilmt, der 2,5 m lang aus einem Loch herausguckte und den Meeresboden durchsuchte. Der Wissenschaft war dieser Wurm zwar bereits bekannt, das Wissen über ihn ist jedoch sehr gering. Später auf der Sonne wurde die Länge des Wurms auf 10 m hochgerechnet. Es gibt also auch noch sehr große unbekannte Tiere in der Tiefsee.
Zu welchen durch die Menschheit entstandenen Veränderungen kam es in der Tiefsee?
Die wichtigste und bedrohlichste ist momentan die Tiefseefischerei, da die Tiefseetiere nur sehr langsam wachsen und bis zu 60 Jahre brauchen, um zum ersten Mal zu laichen, und diese werden mit schwerem Schleppgeschirr gefangen, welches die Korallenriffe und den Lebensraum komplett zerstört. Zudem kommt es zu großen Veränderungen durch die Erwärmung der Meere.
Von welcher Bedeutung ist die Meeresbiologie für die Erde und die Menschheit?
Die Hälfte von dem Sauerstoff, den wir atmen, ist von Meereslebewesen produziert, außerdem dient das Meer als Kohlenstoff- und Wärmespeicher und es gibt auch einige Aspekte, an die man nicht sofort denkt, wie zum Beispiel Funde von Naturstoffen im Meer für die Medizin.
Welche Folgen wird der Klimawandel für die Ozeane haben?
Die Lebensräume der Tiere im Meer werden sich verschieben, die Meere werden übersäuern und durch die Erwärmung können die Meere auch nicht mehr so viel Sauerstoff aufnehmen, was zu vielen Problemen führen wird, z.B. einem Massensterben von Fischen.
Wie können wir Menschen die Meere und deren Einwohner schützen?
Da Klima sich nicht nur auf das Land auswirkt, wären bessere Regeln wichtig, z.B. die außerstaatlichen Tiefseezonen, die allen Menschen gehören, zum Schutzgebiet zu erklären und so die Tiefseefischerei dort zu verbieten. Des Weiteren sollten Konzerne verantwortungsvoller mit umweltgefährdenden Stoffen umgehen und es sollte mehr auf den Plastikmüll, welcher ein großes Problem für die Ozeane darstellt, geachtet werden.
Warum sollten jetzt genau wir Biologie studieren?
Es ist ein Feld für Abenteurer und Entdecker, da man auch heute nur so wenig über die Tiefsee weiß und es nie langweilig wird, was auch für mich ein Argument wäre, wieder Meeresbiologie zu studieren.
Was genau ist „Wissenschaft im Dialog“?
Die Idee war, den Menschen Wissenschaft näher zu bringen und auch mit Ihnen zusammen zu arbeiten, daher wurde die Gesellschaft „Wissenschaft im Dialog“ gegründet. Deren Mitarbeiter, oft Wissenschaftler im Forschungsbereich, finden heraus, wie man die Bevölkerung in die Wissenschaft mit einbindet, z.B. durch Vorträge, die Medien und Projekte an Schulen.
Wie ist ihre Work-Life-Balance?
Ich arbeite schon so 14 Stunden am Tag, aber bei mir ist der Übergang von Work auf Life auch fließend, da mir meine Arbeit und das Erzählen davon so viel Spaß macht. Natürlich ist es manchmal schwierig, alles mit dem Privatleben zu vereinbaren. Aber ich habe keine festen Arbeitszeiten und daher auch viel Flexibilität, jeder Tag ist anders und ich reise auch sehr viel, was für mich auch Erholung ist.
Was erwartet uns bei ihrem Vortrag in Emden?
Ich arbeite gerne mit Bildern und Filmen, um den Menschen erst einmal die Tiefsee näher zu bringen und ich berichte, was Tiefsee überhaupt ist und wie es sich von dem Leben auf der Oberfläche unterscheidet. Dann werde ich über Themen erzählen, die ich auch selber spannend finde, wie z. B., was die Tiefsee für uns ist und was die Menschen der Tiefsee bedeuten. Außerdem werde ich auch noch gerne über ein neues, aktuelles Thema, den Tiefsee-Bergbau sprechen. Nach dem Vortrag können mir auch noch Fragen gestellt werden.